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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.05.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 265/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1004 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 22 Abs. 1
1. Die Wohnungseigentümer können durch Vereinbarung bestimmen, dass bauliche Veränderungen, auch soweit sie die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß beeinträchtigen, der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedürfen.

2. Zur Zumutbarkeit eines Rückbauverlangens, das die Umgestaltung eines Freisitzes in Wohnraum betrifft.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer großen Wohnanlage. Die nicht an der Giebelseite, sondern in der Gebäudemitte gelegene Wohnung der Antragsgegner verfügt über eine Dachterrasse. Die Außenfassade war im Terrassenbereich ursprünglich teilweise zurückversetzt, so dass sich in diesem überdachten Bereich ein Freisitz mit einer Fläche von wenigstens 6 m² befand. Die Antragsgegner ließen die Front bis zur Außenfassade vor versetzen, so dass diese nun mit zwei Fensterelementen zur Terrasse hin bündig abschließt.

Nach § 5 Nr. 5 der Gemeinschaftsordnung darf der Wohnungseigentümer die äußere Gestaltung des Bauwerks oder seiner im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile nicht ändern.

In der Versammlung vom 28.6.1994 ermächtigten die Wohnungseigentümer die Verwaltung, Genehmigungen mit technischen Auflagen für die Anbringung von seitlichem Wind- und Sichtschutz an den Balkonen und Terrassen zu erteilen.

In der Eigentümerversammlung vom 30.5.2001 wurde die Verwaltung bevollmächtigt, den Rückbau baulicher Veränderungen jeglicher Art, namentlich von Fenstereinbauten an Terrassen, notfalls mit juristischer Unterstützung durchzusetzen. Die Antragsgegner blieben mit ihrem Antrag, diesen Beschluss für ungültig zu erklären, vor Gericht erfolglos.

Ein weiterer Eigentümerbeschluss vom 1.7.1997 ermächtigt die Verwaltung, jenen Wohnungseigentümern, deren Wohnungen im Dachterrassenbereich eine giebelseitige Maueröffnung haben, den Einbau eines verglasten Holzrahmens in der Farbe braun zu genehmigen.

Auf Antrag der Antragsteller hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.4.2003 die Antragsgegner samtverbindlich verpflichtet, die im Bereich der Terrasse ihrer Wohnung vorgenommene Verglasung in Form eines zur Terrasse hin offen überdachten Freisitzes fachgerecht und ordnungsgemäß auf eigene Kosten zu beseitigen. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht mit Beschluss vom 26.11.2003 in der Hauptsache zurückgewiesen. Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt erfolglos.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Einbau der Fensterelemente stelle eine bauliche Veränderung dar. Der bisher von drei Seiten umfasste und zur Terrasse hin offene Freisitz sei dadurch zu einem umschlossenen Raum geworden. Damit sei die Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer erforderlich, die jedoch nicht vorliege. Ob durch die Maßnahme den anderen Wohnungseigentümern ein Nachteil erwachse, sei unerheblich, weil die Gemeinschaftsordnung abweichend von § 22 Abs. 1 WEG festschreibe, dass ein Wohnungseigentümer die äußere Gestalt des Bauwerks oder dessen in gemeinschaftlichem Eigentum stehende Bauteile nicht ändern dürfe. Die nächstliegende Bedeutung dieser Bestimmung sei, dass jede nicht völlig unerhebliche bauliche Veränderung ohne Rücksicht auf ihre Auswirkungen auf das optische Erscheinungsbild der Wohnanlage von der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer abhängig sein solle. Daran fehle es. Der Eigentümerbeschluss vom 28.6.1994 sei der Sache nach nicht einschlägig. Der Eigentümerbeschluss vom 1.7.1997 ermächtige die Verwaltung nur zur Genehmigung von Maßnahmen, die giebelseitige Maueröffnungen beträfen. Die Wohnung der Antragsgegner und die Terrassenfront lägen jedoch in der Gebäudemitte. Auch handle es sich bei dem vorgenommenen Einbau nicht um einen verglasten Holzrahmen, sondern um ein Doppelfenster. Der Beschluss sei nicht ausdehnend auf die Maßnahme der Antragsgegner zu beziehen. Schließlich bilde er nur eine Ermächtigungsgrundlage, nicht bereits die Genehmigung selbst, welche unstreitig nicht erteilt sei.

Der Beseitigungsanspruch sei nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Es könne zwar rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Gemeinschaft ohne sachlichen Grund zwischen einzelnen Wohnungseigentümern unterscheide, indem sie im Gegensatz zur Maßnahme der Antragsgegner eine von einem anderen Wohnungseigentümer vorgenommene vergleichbare bauliche Veränderung ausdrücklich billige. Hier lägen jedoch die Verhältnisse wesentlich anders. Weitere Wohnungseigentümer, die ähnliche ungenehmigte Veränderungen im Dachterrassenbereich vorgenommen hätten, seien zur Beseitigung aufgefordert worden. Es sei nicht zu beanstanden, dass sich die Antragsteller aus Kostengründen darauf beschränkten, zunächst ein einziges gerichtliches Verfahren durchzuführen und von dessen Ausgang abhängig zu machen, welche Schritte sie weiter gegen andere Miteigentümer unternähmen. Die Antragsgegner würden im Verhältnis zu anderen Wohnungseigentümern, denen eine Genehmigung erteilt worden sei, auch nicht ungleich behandelt, weil insoweit die Rechtslage nicht vergleichbar sei und es im Übrigen keine Gleichbehandlung im Unrecht gebe. Unzumutbar sei das Beseitigungsverlangen nicht. Insbesondere hätten die Antragsgegner vollendete Tatsachen geschaffen, bevor sie sich wegen einer Genehmigung an die Gemeinschaft gewandt hätten.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Antragsteller haben gegen die Antragsgegner einen Anspruch auf Rückbau aus § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG.

a) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Maßnahme der Antragsgegner als eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG eingestuft (siehe z.B. BayObLG ZMR 1999, 781). Ob durch die Veränderung die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt sind (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG), ist wegen § 5 Nr. 5 der Gemeinschaftsordnung nicht erheblich. Denn die Bestimmung der Gemeinschaftsordnung verschärft in zulässiger Weise die gesetzliche Regelung, indem sie jede nicht nur völlig unerhebliche bauliche Veränderung ohne Rücksicht auf ihre Auswirkungen auf die übrigen Wohnungseigentümer von der Zustimmung aller Wohnungseigentümer abhängig macht (BayObLG WuM 1996, 487). Dies ist zulässig (BayObLG ZMR 2001, 640; Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 22 WEG Rn. 28).

b) Ein bestandskräftiger Eigentümerbeschluss, der die vorgenommene Versetzung der Fensterfront durch die Antragsgegner einstimmig oder mehrheitlich genehmigt hätte, liegt nicht vor. Die Beschwerdekammer führt unter Bezugnahme auf das Amtsgericht zutreffend aus, dass der Beschluss vom 28.6.1994 schon der Sache nach nicht einschlägig ist. Darüber hinaus teilt der Senat die Auslegung, die der Beschluss vom 1.7.1997 durch das Landgericht gefunden hat und die den in der Rechtsprechung für Dauerregelungen aufgestellten Grundsätzen entspricht (vgl. BGHZ 131, 288/292; BayObLG NJW-RR 2000, 603/605). Die Wohnung der Antragsgegner verfügt nicht über eine Maueröffnung an der Giebelseite, sondern nur an der Frontseite. Unerheblich ist, ob zur Giebelseite in diesem Sinn auch die innerhalb des Gebäudes versetzte giebelseitige Fläche gerechnet werden kann. Denn auch diese Fläche ist durch den Umbau nicht betroffen. Ein verglaster Holzrahmen ist nach dem nächstliegenden Verständnis für einen unbefangenen Leser auch nicht mit einem bis zum Fußboden hinuntergezogenen Doppelfenster gleichzusetzen. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Umbaumaßnahme derjenigen Wohnungseigentümer, auf deren Initiative der Beschluss zurückzuführen ist, von dessen Inhalt gedeckt wird. Jedenfalls erfasst die Regelung nicht die Wohnung der Antragsteller und den vorgenommenen Umbau. Eine Genehmigung enthält der Eigentümerbeschluss vom 1.7.1997 ohnehin nicht.

c) Der Beseitigungsanspruch ist nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ausgeschlossen.

Auf Seiten der Antragsteller gibt es beachtenswerte Gründe, die Beseitigung zu verlangen. Diese bestehen nicht nur darin, die optische Einheitlichkeit der Fassadengestaltung entsprechend der Gemeinschaftsordnung zu wahren. Darüber hinaus kann auch der vereinbarte Kostenverteilungsschlüssel unrichtig werden, weil sich die für die Heizkosten maßgebliche Wohnfläche verändert.

Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass die Gemeinschaft gegen andere Wohnungseigentümer, die vergleichbare bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum vorgenommen haben, ebenfalls Schritte eingeleitet hat, um einen Rückbau durchzusetzen. Die dazu getroffenen Feststellungen des Landgerichts beruhen weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Sie sind vom Senat nur auf Rechtsfehler überprüfbar (§ 27 Abs. 1 WEG, § 559 Abs. 2 ZPO). Solche sind nicht zu erkennen. Insbesondere erscheint es außerhalb drohender Verjährung sachgerecht, dass die Verwaltung nicht zugleich eine Vielzahl gerichtlicher Verfahren eingeleitet hat, sondern sich zunächst auf die Durchsetzung eines Beseitigungsanspruchs im Rahmen eines Musterverfahrens beschränkt.

Zutreffend ist, dass die Verwaltung den Wohnungseigentümern K. für deren Terrassenwohnung eine Einbaugenehmigung erteilte. Diese ging jedoch über den Inhalt des Beschlusses vom 1.7.1997 nicht hinaus. Die Antragsteller haben dargelegt, nunmehr auch gegen Umbauten der Eheleute K. vorzugehen, sofern sie im Widerspruch zum Eigentümerbeschluss vom 28.6.1994 stehen.

Hinsichtlich von Veränderungen im Wohnungseigentum der Eigentümerin H. ist schlüssig dargelegt, dass es bereits an einer baulichen Veränderung fehlt (vgl. Palandt/Bassenge § 22 WEG Rn. 4).

Im Übrigen würde eine zu Unrecht erteilte Genehmigung nicht dazu zwingen, nunmehr in gleichartigen Fällen auch anderen Wohnungseigentümern der Gemeinschaftsordnung und der Beschlusslage zuwider Genehmigungen erteilen zu müssen (BayObLG NJW-RR 1993, 337/338); ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht nicht (Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 25 Rn. 165). Insbesondere kann ein Wohnungseigentümer unter Berufung auf diesen Grundsatz nicht fordern, ebenso behandelt zu werden wie ein anderer Wohnungseigentümer, dem unrechtmäßig Vorteile zuerkannt wurden. Das Landgericht brauchte deshalb seine Ermittlungen nicht auf weitere Fälle auszudehnen, in denen nach der Behauptung der Antragsgegner für vergleichbare Umbauten Genehmigungen erteilt wurden. Von Bedeutung ist schließlich, dass die Antragsgegner den Umbau durchführten, ohne sich zuvor zwecks Erteilung einer Genehmigung mit den übrigen Wohnungseigentümern ins Benehmen zu setzen (BayObLG NJW-RR 1990, 1168 f.; NJW-RR 2000, 1179/1180; Merle in Bärmann/Pick/Merle § 22 Rn. 275). Wer so vorgeht, kann sich regelmäßig nicht auf finanzielle Unzumutbarkeit des Rückbaus berufen, auch wenn dieser mit hohen Kosten verbunden ist. Denn ein maßgeblicher Vertrauenstatbestand zugunsten des Verpflichteten besteht nicht.

3. Der Senat hält es nach § 47 WEG für angemessen, den unterlegenen Antragsgegnern neben den gerichtlichen auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Rechtsbeschwerdeverfahren aufzuerlegen.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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